Mittwoch, 15. November 2006

Wo ist eigentlich das Off? Oder was ist das Off?

WIR SIND WOANDERS - Zusammenfassung, Kongress-Tag Eins: "off on off? - Über das Verhältnis einer 'Off-Szene' zur Hegemonialkultur"

Das Problem mit diesem Begriff: Er kann im Grunde nur in Abgrenzung zu etwas Anderem definiert werden. „On“ ist dabei noch der schwierigste Gegenbegriff. Und so suchen die Referenten sich lieber andere Begriffe. „Indie“ oder „Alternative“ etwa bei Holger Kube Ventura – in Anlehnung an die Musik. Marianne Gronemeyer spricht vom „Dagegen“. Auch diese Begriffe brauchen einen Gegenbegriff, von dem sie sich abgrenzen. Hans Christian Dany erklärt freimütig, er habe keine Ahnung, was Off-Kunst oder Off-Räume sein sollten. Allen ist klar, dass diese Abgrenzungslogik Machtverhältnisse oder bestehende Strukturen eher festigt als erschüttert. Am radikalsten äußert sich Mariane Gronemeyer, die sich in diesen Gegensätzen nicht auf einen Kampf einlassen will, sondern für eine gesellschaftliche Strategie der Ohnmacht spricht. Gegenanzugehen hieße demnach, das bestehende Machtgefüge (eben als Gegner) zu akzeptieren.

Positiver geht Jan Holtmann das Problem an, der sich weniger mit dem Begriff „Off“ auseinandersetzt, sondern zunächst von der Hypothese ausgeht, es gäbe „Off-Kunst“ um diese – und ihre Charakteristika dann näher zu bestimmen. Sein zentraler Begriff ist die Off-Kunst-Praxis, die er als eigene Sparte der Kunst zuordnet (so wie es im Theater etwa die Sparten Sprech-Theater und Tanztheater gibt).

Zentral analysieren die Referenten das „Off“ (oder die Begriffe die sie an seine Stelle setzen) als (nur) über Antagonismen, Dualismen, Oppositionen etc. definierbar. Abgrenzung als Daseinsbegründung – das ist das Dilemma des „Offs“. Unterschiedlich ausgelegt werden kann lediglich die Orientierung, die Art der Orientierung auf das Gegenüber hin - oder von ihm weg.

Welche Schlüsse ziehen die Referenten? Holger Kube Ventura sieht im Ergebnis seiner Begriffsbestimmung des „Off“ eine Unschärfe. Er sagt, es ergäbe sich kein klares Bild, was vielleicht auch gut so sei. Jan Holtmann entwirft ein Handlungsmodell für eine Offkunstpraxis, will Ausstellung als Medium begriffen wissen und traut der Offkunst zu, einen neuen „Medialen Vergleichsraum“ einzuführen. Dies sieht er in Hamburg bisher allenfalls punktuell realisiert. Marianne Gronemeyer zieht es zu den gesellschaftlichen Wurzeln. Nach einer Fundamentalkritik neoliberaler Macht- und Ausbeutungsverhältnisse – nicht nur bezogen auf die Natur, sondern auch auf die Kultur – versucht sie eine Neubestimmung des Kulturbegriffs aus einem Geist des „Wir“ heraus: Kultur als gemeinschaftlich-kooperative Praxis. Hans Christian Dany legt den Schwerpunkt seiner Analyse auf die gesellschaftliche Segmentierung in Kleingruppen und Sub-Kulturen. Sie verwenden jeweils verschiedene Sprachen (im übergeordneten Sinne von „Zeichensystemen“). Ziel müsste es sein, an einer Übersetzung der Sprachen, an neuer Verständigung zwischen den Gruppierungen zu arbeiten.

In der abschließenden Diskussion wird zunächst das Problem der Vereinnahmung erörtert. Während Dany meint, davor müsse man sich hüten, fragt sich Holger Kube Ventura, was Vereinnahmung bedeutet. Kunstförderung, wie sie etwa die Bundeskulturstiftung betreibt, sieht er als Beförderung, nicht als Formung. Die geplante Stiftung für die Hamburger „Freie Szene“ ist ein Element eigenständiger, mehr oder weniger selbstorganisierter Kulturpolitik. An diesem Punkt stellen sich die noch unbeantworteten Fragen: Gibt es schon Kriterien der Vergabe von Mitteln durch die Stiftung?, Ist die Stiftung für die „offizielle“ Kulturpolitik ein willkommenes Instrument, Ressourcen und Mittel auszulagern bzw. einzusparen und sich aus der Pflicht zu ziehen?, Ist sie gar Erscheinungsform neoliberaler Wünsche, Verantwortung immer weiter nach unten, auf den Einzelnen, zu verlagern ohne gleichzeitig Handlungsspielräume bzw. Freiheiten mit weiterzugeben?

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