Literatur in Betrieb
Das Problem:
Für junge (oder ältere) schreib- und formuliertechnisch begabte
Talente ist der Zugang zu diesem Wettbewerb so gut wie aussichtslos. Nicht nur, dass eine Jury über die Texte abstimmt (eh klar und logisch) sondern nur Verlage können Texte von Jungliteraten einsenden und in Zukunft soll nochmal eine Hürde hinzukommen. Denn diese Literaten soll auch noch von einer Literaturzeitschrift gutgeheißen werden oder sogar schon einmal einen "namhaften" Literaturpreis gewonnen haben.
Da fallen mir gleich einige grundsätzliche Gedanken zum Thema "Etablierter Literaturbetrieb" und Unzufriedenheit mit selbigem ein:
Möglicherweise schottet sich der etablierte Literaturbetrieb so stark vor neuen, experimentellen und (Achtung, böses Wort:) avantgardistischen Ansätzen in der Literatur ab, weil die entsprechenden Vertreter Angst davor haben, die "Innovativen" könnten es tatsächlich besser. Romane, Erzählungen, ..., - das sind ja alles literarische Formen der vergangenen Jahrhunderte (, ja -tausende,). Wer sowas in Frage stellt, der entzieht dem etablierten Betrieb den Diskursrahmen, die Produktionsbedingungen, die Profitaussichten. Da werden die "Innovativen" dann lieber in die "interessiert-keinen" oder "hatten-wir-schon"-Schublade gesteckt, damit man sich bloß nicht tiefergehend damit auseinandersetzen muss.
Okay, diese Argumente - oder "Gegenkampagnen" wie die von whitetrash.info - klingen stark (sind sie's gar?) nach dem "Neid der Besitzlosen", welche auch nur ein "Stück vom Kuchen abhaben wollen". Weil die Perspektive viel zu stark auf den Literaturbetrieb beschränkt bleibt. Dass es auch anders geht, zeigen Erfahrungen mit der so genannten "bildenden Kunst". Hier stoßen "innovative" Literaten viel häufiger auf wirklich offenes Interesse - und Akzeptanz. Diese Offenheit lassen viele Vertreter des etablierten Literaturbetriebs deutlich vermissen.
Also warum jammern, warum sich abstempeln lassen von den "Etablierten"? Lieber selbst abstempeln, die "Etablierten" weiter im eigenen Saft schmoren lassen und die Sparte wechseln: Unter dem Dächlein der "bildenden Kunst" haben sich schon so einige Vertreter "anderer" Künste häuslich eingerichtet (Film/Video/Foto beispielsweise oder Theater/Performance), warum sollte da nicht noch Platz für (innovative) Literatur sein?
Man könnte glatt pathetisch werden und eine "Aktion Spartenwechsel" ins Leben rufen. So ein Spartenwechsel wäre ja letztlich nur ein symbolischer Akt. Doch wirklich innovative Literatur mit Kunstanspruch hätte die Chance, auf Akzeptanz und auf offenes Interesse zu stoßen, anstatt sich immer weiter wie hypnotisiert am "etablierten Literaturbetrieb" abzuarbeiten. Einen Versuch wäre es wert (- und ein wenig mehr Offenheit in andere Richtungen hat noch keinem geschadet, mag man hinzufloskeln).
Hinzu kommt, daß alle Romanformen längst erprobt sind und sich die sog. innovativen als ebenso bedeutungslos erwiesen haben wie die zwölftönige oder atonale Musik. Heute (im Grunde: seit "Ulysses" und "Finnegans Wake") kommt es nicht auf neue Formen an, sondern auf das intelligente Spiel mit den alten und darauf, sie mit neuem Leben zu erfüllen. Vor diesem Leben, dem real existierenden, und denen, die dies Leben leben und darüber schreiben, fürchtet sich der Literaturbetrieb. Wie die saturierten 68er in Wirtschaft & Politik will er nichts von denen wissen, die nicht zu den sog. Gewinnern zählen; seien es die Autoren oder die potentiellen Leser. Dies ist das Widerwärtige, und es muß immer wieder beim Namen genannt werden - auf die Gefahr hin, daß allen, die es benennen, von den sog. Erfolgreichen (die künstlerisch nur wenig oder gar nichts zu bieten haben) der sog. Neid der Besitzlosen unterstellt wird. Ich kann mit derlei Unterstellungen leben. Denn ich halte es mit Beethoven, der einst seinem Vermieter schrieb, er sei zwar kein Haus-, aber ein Hirnbesitzer.
... ja vielleicht war ich ein wenig unfair gegenüber den „antibachmännern“. Es ist ja begrüßenswert, dass sie was machen und nicht frustriert hinter'm Ofen sitzen bleiben (wobei: hinter'm-Ofen-Sitzen ist ja bei dem derzeitigen Sommer niemandem zu verdenken...). Ich fühlte mich irgendwie angestachelt.
Ich sehe kein Problem bei den Romanen: Ich glaube – spinnen wir die Idee „Aktion Spartenwechsel“ ein wenig aus –, auch Romane könnten den Wechsel erfolgreich absolvieren. Der Sammler hängt sich sein Kunstwerk ja auch im stillen Kämmerlein über die Couchgarnitur. – Und: Auflagen-Werke sind bei den „bildenden“ eine seit langem praktizierte Verbreitungsform (Druckgrafik etc.). Klar: Nicht jedes Werk eignet sich für jede Präsentationsform. Aber das gehört meines Erachtens – auch – zur Arbeit jedes Künstlers (egal welcher Sparte), der mit seinen Werken an die Öffentlichkeit will: Diese sachgemäß und optimal zu präsentieren. Dass auch die (bildenden) Künstler und Kuratoren hierbei längst nicht perfekt sind, kann man ja oft genug in Museen und Ausstellungen sehen. Also: Nehmen wir die Romane und alles andere beim Spartenwechsel ruhig mit. Es wird sich ein Weg finden!
Wie gesagt: Ich hielte eine „Aktion Spartenwechsel“ eher auf symbolischer Ebene für bedeutungsvoll. Wechsel des Diskursrahmens und der Perspektive; Produktion und Rezeption erfolgen (wie gehabt) immer in der der Sache (dem Werk) angemessensten Form.
Dass die „Innovativen“ sich als bedeutungslos erwiesen haben, finde ich allerdings nicht. Genausowenig würde ich andererseits behaupten, irgendwelche neuen Formen zu erfinden sei schon innovativ. Auf die Inhalte kommt's schon auch noch an.
Im Sinne der Beethoven-Anekdote würde ich sagen: Als Hirnbesitzer wechsle ich den Vermieter, wenn mir die alte Wohnung zu ungemütlich ist.
Das Problem ist, fürcht ich,ein andres.
Meist kann erst, wenn Rezeptionsgeschichte über einen Text hinweggegangen ist und sich auch die psychischen Perspektiven der Rezeption verschoben haben, seine Qualität erkannt - und auch genossen werden.
Etwas anders liegt es bei Künstlern,die von Anfang an berühmt wurden und eine solche Akzeptanz gleich mittragen, daß man nicht umhin kommt, sich die Werke anzuschauen; alleine schon, um "mitzureden", also "uptodate-mäßig" zu quasseln. Da reagiert dann das unsichere Mitläufertum: etwa bei Pynchon's "Gravity's Rainbow", das ganz gewiß keiner derjenigen gelesen haben kann, die heutzutage die Hausmanns- und Frolleinkost der Hermanns, Sparschuhs und Helds so in den polyhymnischen Himmel loben.
Ich plädiere für mehr Offenheit – „offenes Interesse“: Unverständnis und Inkompatibilität der Wahrnehmungs- und Urteilsmuster getrost eingestehen, das Unbekannte zu verstehen versuchen – aber es nicht (aus Faulheit) a priori ablehnen.
Das ist alles vielleicht etwas zu stark schwarzweiß gemalt. Dennoch: Das offensive Desinteresse einiger „Etablierter“ scheint mir symptomatisch für diese unnötigen wir-ihr-Antagonismen.
Dem Unwillen gegenüber einer "Avantgarde"...
Politischer Widerstand ist derzeit so wenig opportun wie ein extensives und beharrendes Verständnis von Kunst gegenüber den Unterhaltungsmedien.
Ganz genau so...
Es sollte nur eine Mietwohnung sein, für die man Miete b e k o m m t.
Okay, jeder Vergleich hinkt irgendwo...
Wie man sich in der Mietwohnung einrichtet, was man dort macht, bleibt jedem selbst überlassen. Der eine schaltet den Fernseher ein, der andere denkt sich was aus und bringt es (geinnbringend) unter die Leute. Von dem Verdienst kann letzterer dann die Miete (Zugeständnisse an den "Diskursrahmen") zahlen - und es bleibt vielleicht sogar noch was übrig...
... aber eh' wir uns hier weiter verstricken geb' ich auf.
Trackback URL:
https://schrottperlen.twoday.net/stories/246831/modTrackback